Isebels Schergen und Gottes Engel
Predigt über 1 Könige 19, 1-8 von Pfarrer Klaus Vogel am Sonntag Okuli, 20. März 2022, gehalten in der Evangelischen Mauritiuskirche zu Kraichtal-Oberöwisheim im Präsenz-/Hybridgottesdienst.
Kanzelgruß
1 Könige 19, 1-8; Übersetzung nach „Hoffnung für Alle“
1 Ahab berichtete Isebel alles, was Elia getan hatte, vor allem, wie er die Propheten Baals mit dem Schwert getötet hatte.
2 Da schickte Isebel einen Boten zu Elia, der ihm ausrichten sollte: »Die Götter sollen mich schwer bestrafen, wenn ich dir nicht heimzahle, was du diesen Propheten angetan hast! Morgen um diese Zeit bist auch du ein toter Mann, das schwöre ich!«
3 Da packte Elia die Angst. Er rannte um sein Leben und floh bis nach Beerscheba ganz im Süden Judas. Dort ließ er seinen Diener, der ihn bis dahin begleitet hatte, zurück.
4 Allein wanderte er einen Tag lang weiter bis tief in die Wüste hinein. Zuletzt ließ er sich unter einen Ginsterstrauch fallen und wünschte, tot zu sein. »HERR, ich kann nicht mehr!«, stöhnte er. »Lass mich sterben! Irgendwann wird es mich sowieso treffen, wie meine Vorfahren.[1] Warum nicht jetzt?«
5 Er streckte sich unter dem Ginsterstrauch aus und schlief ein. Plötzlich wurde er von einer Berührung geweckt. Ein Engel stand bei ihm und forderte ihn auf: »Elia, steh auf und iss!«
6 Als Elia sich umblickte, entdeckte er neben seinem Kopf ein Fladenbrot, das auf heißen Steinen gebacken war, und einen Krug Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder schlafen.
7 Doch der Engel des HERRN kam wieder und weckte ihn zum zweiten Mal auf. »Steh auf, Elia, und iss!«, befahl er ihm noch einmal. »Sonst schaffst du den langen Weg nicht, der vor dir liegt.«
8 Da stand Elia auf, aß und trank. Die Speise gab ihm so viel Kraft, dass er vierzig Tage und Nächte hindurch wandern konnte, bis er zum Berg Gottes, dem Horeb, kam.
Kanzelgebet
Liebe Gemeinde,
ich sage es gleich am Anfang und ganz offen: Dieser Text bereitet mir Probleme. Genauer gesagt ist es das, was uns direkt davor im Kapitel 18 erzählt wird. Der 1. Vers nimmt direkt Bezug: „Ahab berichtete Isebel alles, was Elia getan hatte, vor allem, wie er die Propheten Baals mit dem Schwert getötet hatte.“ Wer aufmerksam liest oder zugehört hat, fragt sich natürlich sofort: Was hat Elia denn getan???
Voll entbrannt ist ein Konflikt um die richtige Religion. Es ging/geht um Gott, um die Frage, welcher der echte Gott ist. Am Start ist die Göttin Aschera und 400 ihrer Priester, am Start ist auch der Gott Baal und 450 seiner Priester und Jahwe der Gott Abrahams und der Israeliten. Am Start einzig sein Prophet Elia.
Ursache der Vielgötterei war eine strategische Eheschließung. Ahab, der israelitische König hatte taktisch und machtpolitisch motiviert die phönizische Prinzessin Isebel geheiratet. Die war hübsch und reich, und brachte neben viel Vermögen auch ihre Götter mit nach Israel. Ahab war religiös eher indifferent und hat die gute Isebel machen lassen… und die hat gemacht und die Götter ihrer Heimat importiert und in Israel etabliert. Elia wurde als Reaktion darauf der Mann Gottes (heute: „Sonderbeauftragter“), der dagegen einzuschreiten hatte und das Königspaar die ganze Zeit genervt, ihm das Leben schwergemacht macht. So kommt es schließlich zum Showdown der Gottesmänner – Frauen waren nicht dabei, wir können in der Hinsicht sozusagen von römisch-katholischen Verhältnissen sprechen. Dieser Showdown endet damit, dass von den 400 Priestern der Königin Aschera am Ende keine Rede mehr ist – und dass aber Elia eigenhändig die 450 Priester des phönizischen Gottes Baal mit dem Schwert tötet. Elia richtet also ein furchtbares Blutbad an. Gleichwohl gilt Elia als der zweitwichtigste Prophet im AT. Nach Mose. Auch wird von Elia berichtet, dass er gar nicht gestorben, sondern durch einen feurigen Wagen mit feurigen Rossen in einem Sturmwind zum Himmel entrückt worden sei (2 Kön 2, 1-18).
Was Elia also getan hat und was Ahab seiner holden Isebel unmittelbar schildert und deren Rachegelüste explodieren lässt, ist schwierig und es ist nicht zusammenzubekommen – ich bekomme es jedenfalls nicht zusammen – mit dem Jesus der Bergpredigt, der will, dass wir selbst unsere Feinde lieben. Wenngleich ja auch bereits das 6. Gebot uns was sagt??? (Konfis fragen…)
Isebel jedenfalls schwört Rache. Sie dreht den Spieß um und lässt Elia ausrichten: »Die Götter sollen mich schwer bestrafen, wenn ich dir nicht heimzahle, was du diesen Propheten angetan hast! Morgen um diese Zeit bist auch du ein toter Mann, das schwöre ich!« Stellen wir uns das für einen Moment vor: Jemand extrem Übermächtiges sagt zu uns: Morgen Abend bist du tot. Ich schwöre es. Alles setze ich dran, dass das so kommt – alles und wenn es das Letzte ist, was ich tue… Da kann einem schon anders werden… Wer nun einen selbstbewussten Elia erwartet, der vor lauter Kraft und Glaubensstärke nach wie vor kaum mehr laufen kann und etwa sagt: „Versuch’s doch… der einzig wahres Gott ist auf meiner Seite…“ – wer etwas in der Art erwartet, sieht sich schwer getäuscht. Elia ist nach seinem Blutrausch erstaunlicherweise – oder gerade nicht erstaunlicherweise extrem verzagt, ängstlich und schwach. Es packt ihn die Angst und er flieht – er rennt um sein Leben – so heißt es. Elia flieht.
Todesangst – um sein Leben rennen – fliehen. Das kommt uns in diesen Tagen ja so unendlich vertraut vor. Flucht, Elend, Not, Todesangst – sie sind bei Elia Folge radikalen Handelns. Er will die gegnerischen Götter ausrotten und ihre Religion ausmerzen. Isebel will umgekehrt Elia töten lassen und seine Religion mit Stumpf und Stiel ausreißen – ebenfalls ausrotten. Der russische Diktator will auch ausrotten, will die die Souveränität der Ukraine ultimativ beseitigen und radikal für alle Zeit verschwinden lassen. Er wird scheitern – wie auch Elia und Isebel mit ihrem radialen Ansinnen gescheitert sind.
Jesus hat nicht gesagt: „Selig sind die Radikalen!“ – Nein, er hat gesagt „Selig sind die Sanftmütigen!“ (Mt 5, 5).
Elia flieht in unserer Erzählung so weit wie ihn seine Füße und Kräfte tragen. Seinen Diener lässt er aus Umsicht zurück. Er will dessen Leben schützen. Der soll nicht auch getötet werden, wenn Isebels Schergen ihn doch aufspüren sollten. So hastet er so lange er Kraft hat, tief in die Wüste hinein. Er betet zu Gott, er ist ganz unten, will sterben und schläft ein. Womöglich ist bereits dieser Schlaf ein Geschenk Gottes. Elia ist zwar total ausgelaugt aber er muss jeden Augenblick befürchten, dass Isebels Blutsöldner um die Ecke kommen und ihn erledigen. Da schläft man dann – so stelle ich es mir jedenfalls vorn – da schläft man doch nicht so locker ein. Gott aber schenkt Elia Schlaf und Gott übernimmt das Geschehen.
Viele Menschen wissen nur zu gut, dass Schlaf ein großes Geschenk sein kann. Es ist für mehr Menschen als wir wohl ahnen schlimm, wenn sie nicht mehr richtig in den Schlaf finden. Schlaf bringt Lebenskraft zurück und lässt regenerieren. Doch weil auch gilt: Der Mensch lebt nicht vom Schlaf allein, tauchen statt Isebels Killer Engel auf, die Entscheidendes für den Magen und damit zur weiteren Kräftigung dabeihaben. Als Elia aufwacht, so heißt es, lag neben seinem Kopf ein Fladenbrot, das auf heißen Steinen gebacken war, und ein Krug Wasser. Ich rieche förmlich das Brot. Riechen Sie es auch? Der Engel weckt zwar Elia durch eine zarte Berührung, doch wäre Elia vielleicht auch schon bald durch den intensiven Holzofenbrotduft aufgewacht. Danach schläft er wieder ein. Nach dem Essen stellt sich eben Müdigkeit ein. Der Parasympathikus lässt grüßen. Und noch einmal wird Elia vom intensiven Brot Duft geweckt. Ein zweites Mal isst und trinkt er und ist dann erholt, gekräftigt und bereit für den Weg, den er im Auftrag Gottes gehen soll. In der wirklich tiefsten existenziellen Krise spürt und erlebt Elia Ermutigung und Stärkung durch Gott / Gottes Engel. Gott schenkt Schlaf. Elia wird angerührt. Dieses angerührt Werden vermittelt Elia ja zugleich auch die unglaublich helfende, wohltuende, stärkende Botschaft: Du bist nicht allein. Ich bin da, ich bin bei dir und ich bin um dich. Dir kann nichts geschehen. Und dann duftet da auch noch zweimal dieses fertig gebackene frische Holzofen Brot und es steht ein Krug Wasser daneben. Grundnahrungsmittel. Das eben, was man nahrungsmäßig zum Leben braucht.
Es ist da. ER ist da. Gott ist da. Bei dir – bei mir -bei uns allen. Wie passend, dass wir gleich im Anschluss das Heilige Abendmahl miteinander feiern. Im Brot des Abendmahls – auch wenn es nur eine Hostie ist – steckt das alles zusammen drin: beschützt und berührt werden von Gott, angesprochen werden von Gott, gesättigt und gestärkt werden von Gott. Für unseren Alltag, für unsere Aufgabe, für unsere Antwort. Amen.