Hoch hinauf…
Predigt zum Motto des Gemeindefestes 2.0 „Hoch hinaus“ von Pfarrer Klaus Vogel – gehalten am Sonntag, 14.07.2024 um 10:30 Uhr von der Außenkanzel des Ölbergs an der Evangelischen Mauritiuskirche in Oberöwisheim.
Liebe Gemeinde,
„Hoch hinauf…“ wer will das nicht…? Immer weiter, immer vorne, immer oben, oben auf sein… so ungefähr hat das der frühere Nationalkeeper Oliver Kahn in die Mikros getönt. Das war, nebenbei bemerkt, zu einer Zeit, als Deutschland im Fußball noch erstklassig war und zumindest Endspiele erreicht hat. Ein anderer aus dem Fußball, leider schon fast 10 Jahre nicht mehr unter uns, hat dazu auch etwas gesagt. Ich meine den legendären Startrainer Udo Lattek. Von ihm stammt der Satz: Wo ich bin, ist oben. Das trifft auf seine extrem erfolgreiche Trainerkarriere fast ausnahmslos zu. Auf sein Privatleben absolut nicht. Sein soweit ich weiß einziger Sohn Dirk ist mit 15 Jahren an Leukämie gestorben. Das Leben führt eben alle – uns alle – in alle Höhenlagen zwischen oben und unten… und am dauerhaftesten in die mittleren Bereiche. Doch auch wenn wir nicht aktiv dahin kommen wollen, der Welt zu erklären: „Wo ich bin ist oben“ – es zieht uns ja schon oft von Kindheit an nach oben. Als Kinder wollten wir Raumfahrer oder Pilot werden. Nicht einfach als Servicekraft in einem Lokal unser Geld verdienen, sondern im Idealfall als Steward oder Stewardess in 9000 m Höhe auf engstem Raum Schnittchen und Schampus verteilen. Oder wir wollten höchste Berge, die Achttausender – besteigen. Nach oben – hoch hinaus, das scheint die Richtung, die richtige Richtung zu sein. So lernen wir es unser Leben lang. Übrigens bedient die Bezeichnung der Beamtenbesoldung auch genau diese Vorstellung: „Je höher je besser!“ In dem gängigen Bereich unterhalb von Obs, Staatssekretären… fängt es mit dem einfachen Dienst an und geht über den mittleren und den gehobenen bis hin zum höheren Dienst. Nun könnte es scheinen, die Kirchengemeinde würde an der Stelle in dasselbe Horn stoßen – jedenfalls, wenn wir an das Motto unseres diesjährigen Gemeindefestes denken: „Hoch hinaus“. Natürlich hat uns (genauer gesagt war es Nicole) dazu der Snake Tree inspiriert. Er ragt hoch hinaus. Noch höher, wo wir doch schon auf dem Berg sind. Wer heute Nachmittag sich traut hoch hinauf zu klettern, wird einen atemberaubenden Oberöwisheim Rundblick bekommen.
Apropos auf dem Berg. Es ist die Oelbergstraße, die hier heraufführt. Nicht auf den Oelberg, sondern zu der Ölbergszene aus dem späten Mittelalter, genauer von 1477. Jesus ist mit seinen Jüngern an den Ölberg gegangen. Er nimmt schließlich drei von ihnen weiter mit hinein in den Garten Gethsemane: Petrus, Jakobus und Johannes. Die drei Leader, die wichtigen, die hervorgehobenen – zum Teil sehen sie sich jedenfalls so. In dieser Nacht – der Nacht der Entscheidung, der Nacht vor Karfreitag – müssen sie ganz bittere Lektionen lernen. Lektionen, die mit hoch und tief zu tun haben. Petrus tönt mit Abstand am allerlautesten als Jesus ankündigt: Ihr werdet mich heute Nacht alle verleugnen – sagen, dass ihr mich nicht kennt. Petrus will eher sterben, als das zu tun. Und dann tut er es doch – drei Mal sogar: Ich kenne diesen Menschen nicht. Vom Leader zum Oberversager – hoch hinaufgewollt und ganz tief gefallen. Auch – und das war zeitlich noch vorher – am Ölberg – hier schön zu sehen. Jesus nimmt die Besonderen Leader, die Führungsfiguren mit hinein weit in den Garten Gethsemane und möchte, dass diese drei intensiv bei ihm sind, mit ihm wachen, körperlich und mental nah sind… – und es passiert, was euch jetzt hoffentlich nicht passiert, sie schlafen ein. Auch drei Mal. Sie nicken weg. Sie schaffen es nicht. Sie versagen. Hoher Aufstieg – tiefer Fall. Im Blick auf Petrus könnte man sagen: Petrus der Oberversager, der es nicht gebracht, nicht geschafft, nicht hingekriegt hat. Petrus, der besonders hochwollte und besonders jäh, hart und tief gefallen ist. Aber Petrus wird deshalb nicht degradiert oder nach unten gereicht. Petrus bleibt der Fels, auf den Christus seine Kirche baut – das Versagen des Petrus, sein Fallen und Versemmeln spielen dabei überhaupt keine Rolle. Er bleibt auserwählt. Er bleibt der Frontmann. Dass er Papst werden soll steht da zwar nicht… aber er bleibt der, auf den Gott zählt. Die Führungsfigur am Anfang der Christlichen Kirche. Er bleibt es, weil er aufrichtig bleibt. Weil er sein Versagen sieht und dazu steht, weil er bitter bereut, dass er den Mund so voll genommen und nicht geliefert hat. Vor Gott, liebe festliche Gemeinde, vor Gott ist nicht entscheidend, was wir „bringen“, was wir draufhaben, wie fehlerlos wir sind. Vor Gott ist nicht entscheidend, ob wir gute Schaumschläger, gute Blender, Schönredner, Ausredner oder gute Aufschneider sind. Vor Gott ist allein entscheidend, wie ehrlich und aufrichtig wir sind – gerade auch uns selbst gegenüber. Wenn wir das können, wenn wir hier dabei sind, wenn wir beim Bußgebet im Gottesdienst am Sonntagmorgen bewusst und ehrlich mitsprechen und um Erbarmen und Vergebung bitten, wenn wir in der Passionszeit uns dem Leiden Christi stellen, es nachempfinden und einräumen, dass das uns gilt, dass er für uns den Weg ans Kreuz gegangen ist. Wenn wir am Buß- und Bettag uns bewusst einlassen auf Buße und Selbstkritik auf die Suche nach Schuld und Verstrickung in unserem Leben, dann wird Gott besonders viel mit uns anfangen. Dann haben wir den Eignungstest bestanden. Dann kann es losgehen, dass wir im Auftrag des Herrn unterwegs sind, wie Petrus und die anderen Jünger damals. Unterwegs mit der Richtung nach oben. Richtung Himmel. Richtung Gott. Hoch hinauf eben. Oberkirchenrat Kreplin hat vor knapp 2 Jahren beim Turmjubiläum in seiner Festpredigt gesagt – ich zitiere:
„…wenn Sie (er meinte die Owwaroisa) also in den kommenden Wochen und Monaten auf ihre Kirchtürme blicken – weil ihr Blick darauf fällt, wenn Sie durchs Dorf gehen oder von den Wiesen rund herum auf das Dorf schauen – dann mögen Sie diese beiden Kirchtürme [daran] erinnern:
Erstens: Daran, dass es uns guttut, uns immer wieder auf den Himmel hin, auf Gott hin auszurichten. Lassen Sie sich von den Kirchtürmen den Weg zum Himmel weisen…“ – so weit das Zitat.
Hoch hinaus heißt somit für uns Christen: Es geht – Gott sei Dank – und das im wörtlichsten Sinn… es geht für uns es geht mit unserem Leben und mit unserer ganzen Existenz am Ende und aufs Ganze gesehen nirgendwo anders hin als nur hoch hinaus. Unsere Heimat ist im Himmel schreibt Paulus den Philippern. Der Himmel ist unsere Verheißung, der Himmel ist unsere Aussicht, der Himmel ist unsere Hoffnung. Daran mögen uns unsere beiden Türme im Ort erinnern. Die höchsten Gebäude im Dorf. Die höchsten Gebäude im Dorf mögen uns wann immer wir sie sehen und anschauen zurufen: Freue dich, du wirst am Ende dort sein, wo oben ist und du wirst dort sein bis in alle Ewigkeit. Amen.