Der Tag kommt… (Jer 23, 5)
Predigt über Jeremia 23, 5-8 von Pfarrer Klaus Vogel am 1. Advent, 28. November 2021, gehalten in der Evangelischen Mauritiuskirche zu Kraichtal-Oberöwisheim im Präsenz-/Hybridgottesdienst
Kanzelgruß
Jeremia 23
5 »Der Tag kommt«, sagt der Herr, »an dem ich aus der Nachkommenschaft Davids einen Mann berufe, der dem Namen Davids wieder Ehre macht. Er wird als König verständig und gerecht regieren, weil er sich an die Weisungen Gottes hält. 6 Dann wird das Volk von Juda vor Feinden sicher sein und auch das Volk von Israel wird in Frieden leben. Dieser König wird den Namen tragen: ›Der Herr ist unsere Rettung‹! 7 Ja, der Tag kommt«, sagt der Herr, »an dem sie beim Schwören nicht mehr sagen werden: ›So gewiss der Herr lebt, der das Volk Israel herausgeführt hat aus Ägypten‹, 8 sondern: ›So gewiss der Herr lebt, der die Leute von Israel herausgeführt hat aus dem Land im Norden und aus all den anderen Ländern, in die er sie fortgetrieben hatte, und der sie zurückgebracht hat in ihr Land, damit sie dort wieder wohnen!‹«
Liebe Gemeinde,
Uli Bomke hat mir vor ein paar Tagen auf einer Kopie dieses Comic-Bild von Charly Brown und Snoopy geschenkt. Daran musste ich gleich am Anfang der Vorbereitung denken. Das Prophetenwort beginnt – jedenfalls in der Übersetzung der Guten Nachricht – mit den Worten „Der Tag kommt!“ Charly Brown will das eigentlich auch sagen: Eines Tages werden wir alle sterben! – Mit anderen Worten: „Der Tag kommt, an dem wir alle sterben werden…“ Ein trübsinnig trauriges Thema spricht Charly auf diesem Steg hier an. Stimmungsmäßig mehr als passend in diesen Tagen. Wir gehen in die dunkle Jahreszeit hinein, der zweite Pandemie Winter mit der 4. Welle türmt sich vor uns auf. Mehr als 100.000 Menschen sind schon gestorben. Noch viele werden folgen. Geimpft – genesen – gestorben heißt die Perspektive, die vor uns liegt. Jeder Tag, der im Moment kommt bringt schlimme(re) Zahlen und neue Höchstwerte. Jeder Tag, der kommt, macht auch die Erde wärmer, was nicht gut ist, was gar nicht gut ist. Jeder Tag, der kommt, macht Energie teurer. Jeder Tag, der kommt, macht uns ärmer, weil es eine vergleichsweise hohe Inflation aber keine Zinsen gibt. Das Geld auf dem Konto schmilzt – und es schmilzt nicht wirklich langsam – ohne dass wir auch nur einen Cent ausgeben. Wenn ich jüngeren erzähle, dass es einmal für Festgeld 4, 5 oder gar 6 Prozent Zinsen gab, dann komme ich mir vor, wie mein eigener Großvater, der aus grauer Vorzeit vom 2. Weltkrieg erzählte. Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow waren Vertreter von pazifischen Inselstaaten… …den Malediven, den Marshallinseln, von Tuvalu und anderen, die haben sehr emotional und existenziell betroffen berichtet: der Tag kommt – nein ist längst da, seit dem der Meeresspielgel steigt und unser Land, unsere Heimat immer mehr verschwindet – und jener Tag wird kommen, an dem unsere Inseln, unser Heimatboden untergegangen sein werden…
Triste Stimmung und trübe Zeit… nicht erst seit gestern. Ich selbst habe mich schon weit mehr über den Advent und auf Weihnachten gefreut als in diesem Jahr.
Snoopy, der Hund, macht übrigens eine interessante und irgendwie goldige Entgegnung auf Charlys pessimistische Feststellung: Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy: „Ja, aber an allen anderen Tagen nicht.“ Kann ich damit etwas anfangen? In den Tag hinein leben, mich um keine Zukunft kümmern – Aber vielleicht könnte ich ja länger leben, wenn ich auch das Ende auf dem Schirm hätte. Vielleicht hängt der Sterbetag ja mit den anderen Tagen zusammen? Und wenn ja, würde ich dann nicht bewusster, gesünder leben, würde ich dann nicht mich und andere mehr schonen oder fordern – je nach dem? Snoopys Einwand überzeugt mich nicht. Es gibt viel zu viele, die viel zu viel wegschieben, auf irgendwann, auf „eines Tages“, auf den Sankt Nimmerleinstag. Viel zu viele, die das Ende bzw. die nächste Generation, die Zeit nach ihnen oder das Ende gar überhaupt nicht interessiert. Der Auftrag des Propheten ist es, nicht wegzuschieben, sondern eine klare Ansage, eine Ansage der Hoffnung zu machen. Seine Ansage lautet: Der Tag kommt, an dem Gott einen schickt, der es kann, der es draufhat, der nicht von oben herab regiert oder korrupt ist, der alle gleich behandelt und nicht nur mit den Mächtigen kuschelt und deren Nähe sucht. Einer, der nichts wegschiebt, der sich nicht wegduckt, der aus Liebe Verantwortung übernimmt.
Ungefähr 600 Jahre später – das ist nebenbei bemerkt genau das Alter unseres imposanten Kirchturms – 600 Jahre nach Jeremias Ansage ist seine Prophezeiung in Erfüllung gegangen. Mit Jesus. Die Mehrheit der Juden hat ihn nicht in dieser Rolle gesehen – und sieht Jesus immer noch nicht als den an, der all die Prophezeiungen im Alten Testament erfüllt. Aber einen kleineren Teil seiner Landsleute hat Jesus angesprochen. Mit 12 Getreuen hat er damals angefangen vor 2000 Jahren in Palästina – mit nichts. Die armselige Truppe hatte kein Geld, keine Connections, keine Reputation, keine Lobby. Heute, rund 80 Generationen später, bezeichnen sich weit mehr als 2 Milliarden Menschen in allen Erdteilen als Christen und orientieren sich an dem, was Jesus damals gelebt und gelehrt hat.
In dem Konfirmandenordner, den ich Jahr für Jahr verwende steht folgender Text, den ich nach wie vor besonders eindrücklich finde und der vieles auf den Punkt bringt:
„Jesus von Nazareth hat die Welt verändert, wie vor oder nach ihm kaum jemand. Über keine andere Person wurde und wird so viel geschrieben wie über ihn, keine andere wurde auch so oft in Kunstwerken dargestellt ohne Jesus gebe es kein Christentum. In allen Kirchen der Welt hängt sein Kreuz. Ohne Jesus gäbe es keinen Sonntag, keine Weihnachts- und Osterferien, ohne Jesus gäbe es keine Konfirmation.
Alt ist er nicht geworden. Reich ist er nicht gewesen.
Ein Land hat er nicht reagiert. Kriege hat er nicht geführt.
Eine Erfindung hat er nicht gemacht.
Eine Kirche hat er nicht gebaut. Ein Buch hat er nicht geschrieben.
Große Kunstwerke hat er nicht geschaffen.
Weite Reisen hat er nicht unternommen.
Gesetze hat er nicht erlassen.
Eine Firma hat er nicht geleitet.
Den Nobelpreis hat er nicht bekommen.
Eine Familie hat er nicht gegründet.
In einem Palast hat er nicht gewohnt.“
Natürlich war Jesus kein Nobody. Er hat große, ganz große Reden gehalten, er hat atemberaubende Wunder getan, Wasser in
Wein verwandelt, Tote auferweckt, ist auf dem (nicht gefrorenen) Wasser gelaufen. Doch große Reden haben auch andere gehalten und zu keinem seiner Wunder gibt es nicht Parallelerzählungen von anderen Menschen, die Ähnliches getan haben. – Und trotzdem hat mit Jesus eine neue Zeitrechnung begonnen. Jeremia hat prophezeit, dass der Tag kommt, da man anders schwören wird als bisher. Gekommen ist noch viel mehr. Eine Zeitenwende. Mit Jesus. Seine Geburt markiert und ist genau diese Wende. Alles davor ist im Jahr soundso viel vor Christi Geburt geschehen und danach zum Beispiel die erste Mondlandung im Jahr 1969 nach Christus. Heute ist das Jahr 2021 nach Christus. Solange es Menschen gibt, hat Jesu Aufenthalt auf der Erde fundamentale, fundamental positive Auswirkungen. Der Gedanke an Jesus, an Advent, an sein Kommen hellt auf einmal meine trüben und oft pessimistischen Gedanken deutlich auf. Es tut mir richtig gut – und schließlich – und damit komme ich zum Ende und es schließt sich auch der Kreis – und schließlich kann das, was da in der Karikatur steht, so nicht stehen bleiben: Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy! – Das darf bleiben. Aber Snoopys Antwort kann es nicht. Sie muss einerseits lauten: „Ja – aber an allen anderen Tagen beeinflussen wir wann dieser Tag ist…“ …und sie muss andererseits auf jeden Fall auch lauten: „Ja – aber danach werden wir auferstehen!“ Amen.