»Hab keine Angst, so weit wird es nicht kommen!«
Predigt über 1 Könige 17, 1-16 von Pfarrer Klaus Vogel am 7. Sonntag Trinitatis, 18. Juli 2021, gehalten in der Evangelischen Mauritiuskirche zu Kraichtal-Oberöwisheim im Präsenzgottesdienst
Predigt über 1 Könige 17, 1-16
Kanzelgruß
1 Der Prophet Elia aus Tischbe in Gilead sagte eines Tages zu König Ahab: »Ich schwöre bei dem HERRN, dem Gott Israels, dem ich diene: Es wird in den nächsten Jahren weder Regen noch Tau geben, bis ich es sage!« 2 Danach befahl der HERR Elia: 3 »Du musst fort von hier! Geh nach Osten, überquere den Jordan und versteck dich am Bach Krit! 4 Ich habe den Raben befohlen, dich dort mit Nahrung zu versorgen, und trinken kannst du aus dem Bach.« 5 Elia gehorchte dem HERRN und versteckte sich am Bach Krit, der von Osten her in den Jordan fließt. 6 Morgens und abends brachten die Raben ihm Brot und Fleisch, und seinen Durst stillte er am Bach.
7 Nach einiger Zeit vertrocknete der Bach, denn es hatte schon lange nicht mehr geregnet. 8 Da sagte der HERR zu Elia: 9 »Geh nach Phönizien in die Stadt Zarpat und bleib dort! Ich habe einer Witwe den Auftrag gegeben, dich zu versorgen.« 10 Sogleich machte Elia sich auf den Weg. Am Stadtrand von Zarpat traf er eine Witwe, die gerade Holz sammelte. Er bat sie um einen Becher Wasser. 11 Als sie davoneilte und das Wasser holen wollte, rief er ihr nach: »Bring mir bitte auch ein Stück Brot mit!« 12 Da blieb die Frau stehen und sagte: »Ich habe keinen Krümel Brot mehr nichts, nada, sondern nur noch eine Handvoll Mehl im Topf und ein paar Tropfen Öl im Krug. Denken wir doch mal an die Vorräte, die wir bei uns zu Hause haben Das schwöre ich bei dem HERRN, deinem Gott. Gerade habe ich einige Holzscheite gesammelt. Ich will nun nach Hause gehen und die letzte Mahlzeit für mich und meinen Sohn zubereiten. Danach werden wir wohl verhungern.« 13 Elia tröstete sie: »Hab keine Angst, so weit wird es nicht kommen! Geh nur und tu, was du dir vorgenommen hast! Aber back zuerst für mich ein kleines Fladenbrot und bring es mir heraus! Nachher kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten. 14 Denn der HERR, der Gott Israels, verspricht dir: Das Mehl in deinem Topf soll nicht ausgehen und das Öl in deinem Krug nicht weniger werden, bis ich, der HERR, es wieder regnen lasse.« 15 Die Frau ging nach Hause und tat, was Elia ihr gesagt hatte, und tatsächlich hatten Elia, die Frau und ihr Sohn Tag für Tag genug zu essen. 16 Mehl und Öl gingen nicht aus, genau wie der HERR es durch Elia angekündigt hatte.
Kanzelgebet
Liebe Gemeinde, was für eine Geschichte, die wir da gehört haben! Sie ist so alt wie lang. Gleich am Anfang spricht Elia zu Ahab. König Ahab. Das war, weiß Gott, kein Feiner. Religiös war er völlig verirrt und beliebig – und er war krankhaft brutal. Ein Menschenleben galt ihm nichts. Aus heiterem Himmel konnte er ein Massaker mit x und Dutzend Toten veranstalten. Eine erste Erkenntnis, die sich mir ergibt: Gott schaut da nicht tatenlos zu, wie dieser charakterlich schwache und gewaltbereite König sein Unwesen treibt. Gott bietet Tyrannen Paroli. Gott schickt seinen Propheten Elia zu Ahab. Nicht zum freundlichen Plausch, wie vielleicht heute auf Eurer Tauffeier, nein, Elia prophezeit im Auftrag Gottes Unheil, Ungutes, Unschönes. Gott schickt Elia um Ahab sozusagen die gelbe Karte zu zeigen. Dieses Unheil besteht in der Ankündigung, dass es über Jahre nicht regnen wird. Das ist schon seltsam, dass uns das ausgerechnet heute begegnet, wo es gefühlt seit Wochen fast bloß noch regnet und wo sich vor drei Tagen die schlimme Flutkatastrophe mit so vielen Toten ereignet hat, deren furchtbare Bilder wir gerade vor Augen haben.
Das zweite, was wir hier sehen: Gott ist mit seinen Leuten, mit denen, die in seinem Auftrag agieren, fürsorglich – und mit denen, die sich an ihn, die zu ihm halten. Weil dieser Ahab so ein ganz Schlimmer war, nimmt Gott Elia sofort aus der Schusslinie und versteckt ihn. Er schickt Elia an einen Bach, weil wir alle nach der Luft am meisten Wasser zum Leben brauchen. Für die Versorgung mit fester Nahrung engagiert Gott Raben. Über Raben ließen sich problemlos mehrere Predigten halten. Sie kommen – nicht nur hier – in der Bibel vor. Gleichzeitig haben sie auch etwas Dämonisches an sich. Sie waren im Mittelalter die Galgenvögel. Sie sind extrem intelligent, clever, lernfähig, zäh und entschlossen. Also eine gute Wahl, um das verlässliche Catering von Elia – Fleisch und Brot – abzusichern. Gottes Fürsorge für Elia ist umfassend, sicher und gesetzt. An den Raben lag es mitnichten, dass Elia seine angenehme Vollpension am Bach verlassen musste. Ursache war die Prophezeiung der Trockenheit, die auch für diesen Bach galt. Irgendwann führte er kein Wasser mehr. Statt mit Wasser gefüllt, war das Flussbett mit Staub belegt. Doch Gottes Fürsorge ging einfach nahtlos weiter. Der Job der Raben war zu Ende. An ihre Stelle soll eine verwitwete Frau treten, die in der Stadt Zarpat lebt, ein paar Tagesreisen entfernt. Zu ihr schickt Gott seinen Propheten. Von Elias Begegnung mit ihr erzählt der größere zweite Teil der Geschichte. Elia kommt in Zarpat an und trifft die Frau, die er es zu treffen galt, noch außerhalb des Stadttors. Sie scheint lediglich mit Alltagsdingen beschäftigt. Er scheint ausgetrocknet zu sein, denn quasi zur Begrüßung bittet er sie um Wasser. Ohne zu zögern, ohne Rückfrage, ohne Murren, ohne allles geht diese vom Leben gebeutelte Frau sofort los – nein, sie eilt, so heißt es im Text – um Wasser für den fremden Mann zu holen. Und als sie schon davoneilt, ruft er ihr nach: »Bring mir bitte auch ein Stück Brot mit!« Es kommt mir vor wie in der Gaststätte: „Ach liebe Bedienung, bringen Sie mir doch auch noch einen Beilagen Salat!“ Doch Elia befindet sich nicht im Restaurant. „Das Leben ist kein Wunschkonzert!“ möchte ich Elia zurufen. Er kommt mir vor wie ein Pascha, der vollständig im Bedientwerdenmodus hängt. Doch die Antwort der Witwe holt mich unmittelbar zurück in die harte Realität des ausgehungerten und ausgetrockneten Lebens und Landes. Die arme Frau hat nichts, mehr zu Hause – Nada. Keinen Krümel Brot. Nichts zu essen. Wenn Ihr mögt, dann schließt doch mal für ein paar Momente die Augen. Ruft das Bild Eurer Speise- oder Vorratskammer zu Hause auf. Lasst einen Augenblick die Fülle, die da vorhanden ist, auf Euch wirken…
Das krasseste Gegenteil bieten die Vorräte der Witwe. Einzig und allein eine Hand voll Mehl und ein paar Tropfen Öl sind das, was sie noch hat. Und nun erfahren wir auch, warum sie gerade Holz einsammelt. Es ist Holz für das letzte kleine Feuer, mit dem sie eine letzte Minimahlzeit für sich und ihren Sohn zubereiten will. Danach wird sie sich dem Hungertod ergeben. Vom Leben erwartet sie nichts mehr. Wann immer es uns so oder so ähnlich geht, dass wir vom Leben nichts mehr erwarten, dass wir alle Hoffnung verloren haben, am Ende sind, frustriert und deprimiert sind. Wann immer wir völlig hoffnungslos und entnervt mit dem Schlimmsten rechnen, dann lasst uns wie eine Fanfare Gottes Antwort, die Worte aus Elias Mund hören und gegenseitig sagen: »Hab keine Angst, so weit wird es nicht kommen!« Es ist eine Bestandsgarantie. Gottes Bestandsgarantie für unser Leben. Dieser Witwe in der Stadt Zarpat hat er versprochen: „Das Mehl in deinem Topf soll nicht ausgehen und das Öl in deinem Krug nicht weniger werden…“ Mehl und Öl werden auch uns nicht ausgehen – auch wenn vor gut einem Jahr bei uns das Mehl in Regalen ganz knapp wurde. Mehl und Öl stehen für mehr als Mehl und Öl. Sie stehen für alles, was wir zum Leben brauchen, was nötig ist, dass es weitergeht, was uns am Leben hält und was gut für uns ist. Dieses alles wird uns nicht ausgehen – bis in alle Ewigkeit nicht. Amen.