Gott spielt Jonas Spiel nicht mit
Predigt über Jona 1,1 – 2,2.11 von Pfarrer Klaus Vogel am 1. Sonntag Trinitatis, 06. Juni 2021, gehalten in der Evangelischen Mauritiuskirche zu Kraichtal-Oberöwisheim im Präsenzgottesdienst und ONLINE
Predigt über Jona 1,1 – 2,2.11
Kanzelgruß
Jonas Flucht vor Gott
1 Es geschah das Wort des HERRN zu Jona, dem Sohn Amittais:
2 Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.
3 Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem HERRN nach Tarsis fliehen und kam hinab nach Jafo. Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte, gab er Fährgeld und trat hinein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weit weg vom HERRN.
4 Da ließ der HERR einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen.
5 Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer, dass es leichter würde. Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief.
6 Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben.
7 Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so übel geht. Und als sie losten, traf’s Jona.
8 Da sprachen sie zu ihm: Sage uns, um wessentwillen es uns so übel geht? Was ist dein Gewerbe, und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volk bist du?
9 Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer und fürchte den HERRN, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat.
10 Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Was hast du da getan? Denn sie wussten, dass er vor dem HERRN floh; denn er hatte es ihnen gesagt.
11 Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass das Meer stille werde und von uns ablasse? Denn das Meer ging immer ungestümer.
12 Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch gekommen ist.
13 Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an.
14 Da riefen sie zu dem HERRN und sprachen: Ach, HERR, lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu; denn du, HERR, tust, wie dir’s gefällt.
15 Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten.
16 Und die Leute fürchteten den HERRN sehr und brachten dem HERRN Opfer dar und taten Gelübde.
Jonas Gebet
1 Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte.
2 Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches
11 Und der HERR sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.
Kanzelgebet
Liebe Gemeinde, es gibt ein Kinderspiel, das heißt Gegenteiltag. In den USA haben sie daraus sogar einen inoffiziellen Feiertag am 25. Januar gemacht, den der Politiker Alexander Kerr Craig am 25.01.1872 erfunden und zum ersten Mal begangen hat / haben soll. Das Spiel Gegenteiltag bedeutet, dass man das exakte Gegenteil dessen, was man meint, sagt und das genaue Gegenteil dessen, was man ankündigt oder machen will, tut. Das produziert Schräges und Kurioses ohne Ende. Also zum Beispiel: mein Besuch sagt: Oh Mann bin ich satt… – dann:… An dem Tag darf man auch zu seiner Frau etwa „Du blöde alte Hexe!“ sagen, denn das wäre am Gegenteiltag ein gigantisches Kompliment…
Gleich am Anfang unseres überlangen Jonatextes musste ich an dieses Spiel denken. Jonas Marschbefehl geht strikt nach Osten, nach Ninive: doch was macht der Gute? Er hechtet und flüchtet nach Westen, an die jüdische Mittelmeerküste, in die Hafenstadt Jafo, von wo aus es mit dem Schiff nach Tarsis gehen soll. Damit ist eine Gegend an der spanischen Atlantikküste gemeint, also jenseits der Straße von Gibraltar im alleräußersten Westen der damals bekannten Welt. Jona spielt mit Gott Gegenteiltag – doch Gott spielt nicht mit. Das vorgegebene Ziel Ninive, eine damalige Weltmetropole, ist Jonas Einsatzort. Er soll dort Tacheles reden, er soll Gericht und Untergang ankündigen, er soll Unheilsprophet in Reinkultur sein. Dass er da nicht unbedingt scharf drauf ist, versteht sich von selbst. Aber warum bleibt er nicht einfach da, wo er ist, verschiebt den Auftrag auf später, tut so als hätte er den Auftrag nicht wahrgenommen oder inzwischen schon wieder vergessen. Wir haben da ja so unsere Maschen und Methoden, unsere Tricks und Rituale, um unangenehmen Pflichten auszuweichen, sie zu verschieben, zu verwässern… Jona kannte diese Dinge bestimmt auch. Warum um alles in der Welt hetzt er dann in die Gegenrichtung? Das ist schräg. Das ist auch irgendwie lustig, weil es naiv und unbedarft wirkt. In meinem Kontaktstudium vor zwei Jahren war ich in einem AT Seminar zum Thema „Humor im Alten Testament“. Dabei ging es auch um Jona, weil sich bei ihm einiges findet, was eine gewisse Komik hat und manchmal schmunzeln lässt. Dazu gehört in unserem Abschnitt sein Tiefschlaf im Bauch des Schiffes (nicht Fisches… das kommt erst später…), während dieses Spielball von Hurrikan und Monsterwellen ist. Dazu gehört, dass Jona vom Schiffseigner aufgeweckt und gebetsverpflichtet wird und er dann mit und neben allen anderen auf dem Schiff betet – jeder betet zu seiner und insgesamt wird zu vielen verschiedenen Gottheiten gebetet – und alles in der Hoffnung, dass darunter dann auf jeden Fall der richtige sein und der richtige angesprochen werden wird. Das ist irgendwie kurios und klingt wie Schießen mit der Schrotflinte. Auch zum irgendwie Kuriosen gehört, dass die Betenden mit wenig Durchhaltevermögen bei der Sache waren, denn unmittelbar im nächsten Satz haben sie das Beten schon wieder eingestellt und gehen sozusagen zum Glücksspiel über, indem sie losen – zurecht, wie sich sogleich herausstellt, denn es trifft Jona. Kurios – zumindest aber ganz unvorstellbar ist, wie die Beteiligten da überhaupt gelost haben sollen, während sie permanent durchs Schiff gewirbelt worden sind. Eine letzte wenn man so will Kuriosität ist, dass die Seeleute auf die aberwitzige Idee kommen, in dieser Chaosküche sich durch Rudern retten zu wollen – ein Unterfangen, das sie, wie es scheint, schneller wieder abbrechen, als sie es angefangen haben. Dies mag Zeichen dafür sein, dass auch Jona sein Unterfangen mit der überstürzten Flucht nach Westen abbrechen muss und vom großen Fisch zurückgebracht wird.
Jona muss realisieren, was uns z. B. wunderbare Verse aus Psalm 139 besonders eindrucksvoll vor Augen malen:
3 Ob ich gehe oder liege – du siehst mich, mein ganzes Leben ist dir vertraut.
4 Schon bevor ich anfange zu reden, weißt du, was ich sagen will.
5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine schützende Hand über mir.
6 Dass du mich so genau kennst, übersteigt meinen Verstand; es ist mir zu hoch, ich kann es nicht begreifen!
7 Wie könnte ich mich dir entziehen; wohin könnte ich fliehen, ohne dass du mich siehst?
8 Stiege ich in den Himmel hinauf – du bist da! Wollte ich mich im Totenreich verbergen – auch dort bist du!
9 Eilte ich dorthin, wo die Sonne aufgeht, oder versteckte ich mich im äußersten Westen, wo sie untergeht,
10 dann würdest du auch dort mich führen und nicht mehr loslassen.
„Gotteswort in Menschenmund“ begegnet einem an manchen Stellen als Thema dieses 1. Sonntags nach Trinitatis. Gottes Wort sollte durch Jonas Mund den Menschen in Ninive ausgerichtet werden. Ich will ja durchaus nicht ausschließen, dass auch im 3. Jahrtausend Gottes Wort noch durch Menschenmund ergehen kann. Aber im Unterschied zu damals haben wir Gottes Wort in und mit der Bibel bei uns. Stets verfügbar, stets zugänglich. Es ist kein Szenario denkbar, bei dem ein Mensch aus heiterem Himmel aber in der Tat aus dem Himmel den Auftrag bekommen würde: Geh sofort nach Neapel oder nach Nairobi, reise nach Nashville oder Nottingham – mach dort Gottes Willen bekannt und kündige Gottes Gericht und Strafe an. Unsere Aufgabe, unser Auftrag, unser Alltag ist es, Gottes Willen, der uns in weiten Teilen nicht unbekannt ist, zu leben und zu tun. Keine großen Reden schwingen, keine Sprüche klopfen, keine einzelnen Großaktionen, sondern einfach und ehrlich das zu tun, von dem wir wissen, dass es der Wille Jesu Christi ist. Tun, was Menschen hilft, was dem Egoismus, dem Geiz, dem Neid, der Prahlerei und Rechthaberei, was Gemeinheiten und Mobbing wehrt und stattdessen barmherzig sein, Liebe, Zuwendung, Verständnis versprühen, Gefangene und Kranke besuchen und für sie beten, Flüchtenden und Geflüchteten Aufmerksamkeit schenken, allen ohne Lobby eine Stimme geben, Freund und Feind fröhlich lieben und alle in unser Gebet einschließen. Amen