Von Jesus, dem Maître am Grill, und 153 (!) Fischen
Predigt über Johannes 21, 1-14 von Pfarrer Klaus Vogel am Sonntag Quasimodogeniti, 11. April 2021, gehalten in der Evangelischen Mauritiuskirche zu Kraichtal-Oberöwisheim im Präsenzgottesdienst und ONLINE
Predigt
Kanzelgruß
Joh 21, 1-14 – Jesus begegnet den Jüngern am See Genezareth
1 Später zeigte sich Jesus seinen Jüngern noch einmal am See Genezareth. Das geschah so: 2 Simon Petrus, Thomas, der Zwilling genannt wurde, Nathanael aus Kana in Galiläa, die beiden Söhne von Zebedäus und zwei andere Jünger waren dort zusammen. 3 Simon Petrus sagte: »Ich gehe jetzt fischen!« »Wir kommen mit«, meinten die anderen. Sie gingen zum Ufer, stiegen ins Boot und fuhren los. Aber während der ganzen Nacht fingen sie keinen einzigen Fisch. 4 Im Morgengrauen stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger erkannten ihn nicht. 5 Jesus rief ihnen zu: »Freunde, habt ihr nicht ein paar Fische zu essen?« »Nein«, antworteten sie. 6 Da forderte er sie auf: »Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, dann werdet ihr einen guten Fang machen!« Sie folgten seinem Rat und fingen so viele Fische, dass sie das Netz nicht mehr einholen konnten. 7 Jetzt sagte der Jünger, den Jesus sehr lieb hatte, zu Petrus: »Das ist der Herr!« Kaum hatte Simon Petrus das gehört, zog er sein Obergewand an, das er während der Arbeit abgelegt hatte, sprang ins Wasser und schwamm an das nahe Ufer. 8 Die anderen Jünger waren noch etwa 200 Ellen (= ca. 90 Meter) vom Ufer entfernt. Sie folgten Petrus mit dem Boot und zogen das gefüllte Netz hinter sich her. 9 Als sie aus dem Boot stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer, auf dem Fische brieten. Auch Brot lag bereit. 10 Jesus bat die Jünger: »Bringt ein paar von den Fischen her, die ihr gerade gefangen habt!« 11 Simon Petrus ging zum Boot und zog das Netz an Land. Es war gefüllt mit 153 großen Fischen. Und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. 12 »Kommt her und esst!«, sagte Jesus. Keiner von den Jüngern wagte zu fragen: »Wer bist du?« Aber sie alle wussten: Es ist der Herr. 13 Jesus ging auf sie zu, nahm das Brot und verteilte es an sie, ebenso die Fische. 14 Dies war das dritte Mal, dass Jesus sich seinen Jüngern zeigte, nachdem er von den Toten auferstanden war.
Kanzelgebet
Liebe Gemeinde,
was für eine ungewöhnliche Erzählung ist uns da heute gegeben? müde, ausgelaugt und hungrig von der Arbeit zurückkommen, und dann steht da einer und grillt. Es brutzelt und duftet. Bratfisch und Brot – braucht es mehr – abgesehen vielleicht von unserem leckeren Turmbier, das es ab sofort wieder gibt und das Sie nach dem GD im Foyer erwerben können – braucht es mehr, um zu strahlen, sich zu freuen und in deftiges Wohlbefinden einzutauchen? Spezialistinnen und Gourmetapostel würden natürlich den „Whitewine with the Fish“ noch vermissen und einfordern (übrigens ebenfalls draußen zu erwerben) – und ein weiches, warmes Bett gleich daneben wäre sicher weit mehr als das berühmte i-Tüpfelchen. Doch das Ganze spielt eben nicht in einem Luxusresort der heutigen westlichen Hemisphäre, sondern in der rauen, mühevollen, knochenharten Welt jüdischer Fischer am See Genezareth vor 2000 Jahren; und darum braucht es absolut nicht mehr als frisch gegrillten Fisch und frisches Brot, um satt, glücklich und zufrieden zu sein. Aber auch das Bild ist charmant und speziell: Der auferstandene Christus erscheint hier als Maître am Grill. Jesus offenbart sich auf ungewöhnliche Weise als kulinarisch kompetent. Der Auferstandene versorgt seine Leute mit dem, was sie wirklich brauchen, Brot und Fisch enthalten ja lebensnotwendige Inhaltsstoffe. Essentielle Fettsäuren, Kohlenhydrate und Eiweiß, die Zutaten sind weise gewählt. Aber natürlich geht es nicht um Lebensmittelchemie und Inhaltsstoffe. Der Auferstandene versorgt seine Leute mit dem, was sie wirklich brauchen. Das ist die Botschaft, die Message. Haltet das Mahl, Lasst es euch gut gehen. Entspannt, entkrampft, erholt euch. Lasst euch von mir einladen, ich sorge gerne für euch. Ich weiß genau, was Ihr braucht. Ich habe es für euch und ich gebe es euch. Dieser Text begegnet uns in einer Zeit, in der auch ich selber nichts lieber höre als dies. Denn mir geht es wie so vielen: ich bin mürbe und müde, ausgelaugt, oft frustriert und pessimistisch… ich vermisse auch so sehr viel: die Hostien und den Traubensaft, die wir im Gottesdienst beim Abendmahl teilen mit heiligem Ernst, das Trinken aus einem Kelch und das Händehalten im Kreis, wie Geschwister versammelt um den Abendmahlstisch… und das Erzählen nach dem Gottesdienst, beim Kirchkaffee, eine Tasse Kaffee in der Hand, am Stehtisch im locker heiteren Gespräch mit Ihnen… Dann zwischendurch immer wieder diese Sorgen: Wird bei unseren geplanten vier Konfirmationssonntagen noch etwas dazwischenkommen? Oder gar bei unserem verschobenen Turmjubiläumshöhepunkt mit dem Slacklineakrobaten zwischen den beiden Oberöwisheimer Kirchtürmen? Auch vermisse ich Festgottesdienste mit gerammelt voller Kirche, unter Mitwirkung unserer Chöre. Ich vermisse die wunderbaren Melodien unseres Kirchenchores und die Posaunenklänge, die mir nicht selten mit ihrer himmlischen Schönheit Gänsehaut machen. Ich vermisse die so fröhlich heiteren, maskenfreien Geburtstagsbesuche, bei denen ich so viel erfahre und sehe wie Menschen wohnen, welche Bilder an der Wand hängen, wer mit wem verwandt und zusammen in die Schule gegangen ist.
„Kommt und haltet das Mahl!“ Dieser Satz steckt für mich voller Sehnsucht in diesen Tagen der brüchigen Hoffnung. Eine unfassbar lange Fastenzeit liegt bereits hinter uns, eine Zeit des Sozialfastens und des Ritualfastens.
„Kommt und haltet das Mahl!“ Diese Aufforderung Jesu aus Joh. ist das Erkennungszeichen für die Ankommenden. Der gastfreundliche Grillmeister ist der Auferstandene, der seine Leute mit dem versorgt, was sie wirklich brauchen. Nahrung für Leib und Seele, Gemeinschaft um ein Feuer herum, um eine Mitte, ein Zentrum, das verbindet.
„Kommt und haltet das Mahl!“ Gott sei Dank ist jetzt April und nicht November. Wir gehen in den Frühling. Wir gehen mit dem Auferstehungswunder im Rücken in die große Hoffnung, dass unsere Rituale irgendwann wieder leuchten werden. Dass wir hier in Oberöwisheim und dass Menschen überall völlig ohne Schutzkonzept ohne Maske, ohne Desinfektionsmittel wieder in die Kirchen kommen können und unmittelbar nebeneinander sitzen dürfen, um genährt und gestärkt zu werden, seelisch, geistlich, körperlich. Die Hoffnung ist – und ich lasse sie mir nicht nehmen – die Hoffnung ist, dass die Zeit kommen wird, wo wir wieder zusammen essen und trinken dürfen, entspannt und fröhlich, ohne Angst. Irgendwann! Und der Auferstandene wird uns die ganze Zeit einladen wie seine sieben Jünger damals im Morgengrauen am See Genezareth. Er wird uns weiterhin zuverlässig mit dem versorgen, was wir wirklich brauchen und mit allem, was wir brauchen. Er wird es tun…
Der Text ist nicht nur wegen Jesus als Grillmeister äußerst bemerkenswert. Er ist es auch wegen der Zahlen: Sieben Jünger. Zweihundert Ellen (das sind ungefähr 90 Meter) entfernt vom Ufer. Hundertdreiundfünfzig Fische im Netz und das dritte Mal hat sich Jesus nach seinem Tod gezeigt.
Da hatte einer anscheinend Lust am Zählen, Lust an Zahlen. Die besonders herausragende Zahl ist in dieser Geschichte die 153. Sie kommt nur hier in der Bibel vor. Aber es ist eine total auffällige Zahl mit ganz außergewöhnlichen mathematischen Eigenschaften. 153 ist eine Dreieckszahl zur Basis 17 und eine Armstrongzahl. Ihre religiöser Symbolgehalt ist schier unüberschaubar. Nur eines: die Anzahl der Kapitel der ersten vier Bücher des AT beträgt exakt – raten Sie mal – 153! Die Frage, die sich mir stellt ist, was wollte Jesus damit sagen? Welcher mathematischen Erkenntnisse gab es zu der Zeit bereits und welche davon kannte Jesus? Was ist die Botschaft der 153 Fische? Wirklich befriedigende Antworten habe ich bei meiner Suche bei den großen theologischen Experten leider nicht gefunden. Darum hier mein ganz eigener Versuch: Ich bin mir mit den meisten sicher, dass der Evangelist die Zahl bewusst gewählt hat, weil er wusste, es ist eine äußerst besondere Zahl. Das konnten nicht 147 Fische sein und auch keine 165. Nein es mussten 153 sein. Die 153 großen Fische sind in der Erzählung der durch Jesus arrangierte ganz besondere, ja einzigartige Fang. Es ist der Ertrag, der sich durch die genaue Befolgung seiner Anweisungen (ein weiterer Versuch, noch mal das Netz auswerfen und zwar auf der rechten Seite) ergeben hat. Es geht also um den in Aussicht gestellten Ertrag, den Lohn, die Dividende. Um den Ertrag unseres Glaubens. Um den Ertrag unserer Nachfolge und Befolgung von Jesu Willen. Und die Botschaft ist: Dieser Ertrag wird nicht nur irgendwie groß sein, nein, der wird besonders und herausragend – ja, besonders herausragend und gigantisch sein. Die Zahl 153 unterstreicht: Der Ertrag der Jünger an Fischen war derart massiv, dass sie das schwere und prall gefüllte Netz nicht einholen konnten. Übertragen: Der Ertrag der uns in Aussicht gestellt ist, ist genau so massiv und wird unsere Vorstellungskraft einfach nur pulverisieren. Aber das ist noch nicht das Entscheidende. 154 Fische wären auch viel und sogar einer mehr. Darum ist die Message: Der Ertrag unseres Glaubens ist eben nicht nur groß – er ist besonders – so besonders wie die Zahl 153 mathematisch besonders ist. Besonders, speziell und schlicht unvorstellbar ist der Lohn der Nachfolge, der Lohn dafür, dass wir im Auftrag des Auferstandenen unterwegs sind und tun, was ihm am Herzen liegt. Und er wird uns auf dem Weg stärken und alles das geben, was wir brauchen – reichlich, fürsorglich und liebevoll. AMEN