Palmsonntag am 05.04.2020
Heute bejubelt, morgen fallen gelassen – Palmarum/Palmsonntag
Grenzmomente:
Es gibt Momente, in denen ist nichts, wie es scheint. Ein fröhliches Gesicht versteckt tiefe Trauer, wer Härte zeigt, kann auch barmherzig sein und hinter einer scheinbar so düsteren Zukunft verbirgt sich eine neue Chance.
Grenzmomente sind das, unsicher und vage. Erst im Nachhinein deute ich die Zeichen richtig. Der Palmsonntag führt in eine solche Grenzzeit hinein: Die Hände, die eben noch Palmzweige schwingen, sind schon zu Fäusten geballt. Das „Hosianna“ wird zum gellenden „Kreuzige“-Ruf, fröhliche Gesichter erstarren zu Fratzen. Und doch ist es Jesu Tod am Kreuz, der den Menschen Leben bringt. Sein Weg ins Dunkel war ein Weg ins Licht, heute bekennen wir das. Im Geschlagenen, im Verachteten war Gott ganz nah. Nur wenige erkannten das – wie die Frau, die den Todgeweihten wie einen König salbte.
Der Name des Sonntags: Palmsonntag (Palmarum) (Joh 12, 13: „Da nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!“) – liturgische Farbe: Violett
Gottesdienste am Palmsonntag, 05.04.2020:
Zentraler Badischer Gottesdienst
Von 10:15 – 11:00 Uhr wird aus der Friedenskirche in Freiburg ein Gottesdienst u.a. mit Prälatin Dagmar Zobel, Pfarrerin Angela Heidler, Kantorin Hee-Jung Min, Florian Cramer (Gesang) und Gustav Friedrichson (Barock-Oboe) im Livestream auf www.ekiba.de/kirchebegleitet übertragen.
Friedenskirche zu Freiburg
ZDF Fernsehgottesdienst
Von 09:30 – 10:15 Uhr überträgt das ZDF aus dem Stephansdom in Wien einen Gottesdienst zum Thema: „Ein Fasten-Pullover für den Hochaltar“ mit Kardinal Christoph Schönborn.
Stephansdom zu Wien
An die ‚Priorität wärmender Nächstenliebe in der Zeit der Vorbereitung auf Ostern‘ soll der 80 Quadratmeter große violette gestrickte Pullover erinnern, mit dem Erwin Wurm, einer der gegenwärtig bedeutendsten österreichischen Künstler, den barocken Hochaltar von St. Stephan in der Fastenzeit 2020 bekleidet.
Seit 2013 wird im Wiener Stephansdom Tradition das Fastentuch von zeitgenössischen Künstlern gestaltet, als „künstlerische Auseinandersetzung mit der österlichen Bußzeit“ so Dompfarrer Toni Faber
Brief des badischen Landesbischofs zum Beginn der Karwoche:
„Bleib schön zu Hause!“ In der „Stillen Woche“ sollte man nicht ausgehen, hat meine Großmutter mir beigebracht. Palmsonntag bis Karsamstag ist eine Zeit, um innezuhalten, sich neu auf Gott hin zu orientieren und Kraft zu schöpfen. Die Corona-Stille in diesem Jahr hätte sie als bedrückend empfunden.
Die Woche zur Vorbereitung auf Ostern war still, aber eine Gemeinschaftssache. In den Passions- andachten traf sie ihre Freundinnen; im Bastelkreis wurden die letzten Eier verziert und die Nester für die Enkel vorbereitet. Am Gründonnerstag ging sie zum Abendmahl, am Karfreitag schwarz angezogen in die Kirche, wenn die Kerzen gelöscht und der Altar abgeräumt wurde und die Orgel verstummte. Die Stille dieser Woche fand sie wohltuend; sie war eine konzentrierte und erwartungsvolle Stille!
Die Stille der Corona-Pandemie zehrt dagegen an unseren Kräften. Vielleicht, weil wir nicht wissen, wie und wie lange es weitergeht. Einige kommen gar nicht mehr zur Ruhe: in Kliniken, Praxen und Heimen, auch in den Supermärkten, in mancher Verwaltung, in wichtigen Betrieben, politisch Verantwortliche. Wir sind froh und dankbar für alles, was sie in dieser Krise leisten.
Andere haben auf einmal Zeit und fühlen sich gleichzeitig hin- und hergerissen. Einerseits: Endlich können sie das tun, was sie schon lange tun wollten, haben Zeit für sich, für Familie und Partner. Andererseits schwebt über allem diese unsichtbare Bedrohung, die tief in unser Leben eingreift und uns das Fürchten lehrt. Sie zeigt uns, wie verletzlich wir sind und dass wir das Le- ben nicht im Griff haben. Viele Christinnen und Christen fragen sich auch, wie wir unter diesen Bedingungen unsere Verantwortung für die fernen Nächsten etwa in den Flüchtlingslagern wahr- nehmen können, die uns am Herzen liegen.
Ich wünsche mir, dass die kommende „Stille Woche“ die bedrückende und zehrende Stille dieser Pandemie vertreibt und sich ein neuer Geist ausbreitet, der uns über die Krise hinaus in die Zu- kunft leitet und uns Antworten gibt auf die großen Fragen: Was trägt mich? Was ist mein Trost im Leben und im Sterben? Was ist meine Verantwortung in dieser Welt
Jesus ist in diesen Tagen vor Ostern mit seinen Freundinnen und Freunden einen schweren und traurigen Weg gegangen. Die Kraft, die sie damals gemeinsam trug, war ihr Vertrauen in Gott. Sie spürten Gottes Liebe und entdeckten: Gott geht mit uns auch durch die dunklen Täler. Gott bleibt uns treu, auch wenn wir versagen. Gott versöhnt und führt zusammen, wo wir nur Gräben und Feindschaft sehen. Gott schenkt Leben, auch über den Tod hinaus.
Seit der Auferstehung Jesu Christi gilt uns die Zusage: „Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!“ (2. Timotheus 1,7) In diesem Geist finden wir die Kraft, die Pandemie zu überwinden, die Liebe, dabei besonders für die da zu sein, die nicht für sich selbst sorgen können, und die Besonnenheit, nicht panisch zu werden, sondern im Gottvertrauen dort Verantwortung zu übernehmen, wo wir nötig sind.
Ich wünsche Ihnen diesen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit und eine gesegnete „Stille Woche“.
Ihr
Landesbischof
Prof. Dr. J. Cornelius-Bundschuh