Predigt von Pfarrer Klaus Vogel am 08.03.2020 (Sonntag Reminiszere) über Röm 5, 1-5
Mit Gott versöhnt; Römerbrief Kapitel 5, Verse 1-5:
1 Nachdem wir durch den Glauben von unserer Schuld freigesprochen sind, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus. 2 Er hat uns die Tür zu diesem neuen Leben geöffnet. Im Vertrauen haben wir dieses Geschenk angenommen, auf das wir uns jetzt gründen. Und mehr noch: Wir werden einmal an Gottes Herrlichkeit teilhaben. Diese Hoffnung erfüllt uns mit Freude und Stolz. 3 Doch nicht nur dafür sind wir dankbar. Wir danken Gott auch für die Leiden, die wir wegen unseres Glaubens auf uns nehmen müssen. Denn Leid macht geduldig, 4 Geduld aber vertieft und festigt unseren Glauben, und das wiederum stärkt unsere Hoffnung. 5 Diese Hoffnung aber geht nicht ins Leere. Denn uns ist der Heilige Geist geschenkt, und durch ihn hat Gott unsere Herzen mit seiner Liebe erfüllt. (aus „Hoffnung für Alle“)
„Das Reich Gottes ist keine Bananenrepublik…“
Liebe Gemeinde,
Liebe Gemeinde,
was haben Venezuela und Barbados (Kleine Antillen; zwischen Karibik und Atlantik) gemeinsam… Karibiknähe…warmes Wetter, warmes Wasser…? – Nun, wahrscheinlich könnte man trotz reichlicher und gravierender Unterschiede der beiden Staaten auch sehr viel Gemeinsames hier aufzählen. Weit mehr als in diesem Gottesdienst Platz hat. Eine Gemeinsamkeit jedenfalls ist, dass in beiden Ländern Bananen angebaut werden. In diesem Sinn sind also beides Bananenrepubliken. Nun hat dieser Begriff aber bekanntermaßen eine doppelte Bedeutung. Im übertragenen Sinn ist Bananenrepublik die mächtig abwertende Bezeichnung für Staaten, in denen Korruption und Bestechlichkeit vorherrschen, wo Recht, Gerichtsurteile, Politische Entscheidungen, Gesetze… käuflich, willkürlich und darum oft widerlich sind usw. Sie wissen das alle. In diesem Sinn ist Venezuela ein Musterbeispiel für eine Bananenrepublik. Das wird lediglich von manchen unverbesserlichen Ideologen in der Linkspartei bestritten – ansonsten ist das aber glasklar. Barbados dagegen ist absolut keine solche Bananenrepublik. Dort ist es z.B. vor Gericht so, wie es eben sein soll. Wer das Recht auf seiner Seite hat, bekommt das günstige Urteil – und nicht, wer den dicksten Geldbeutel hat. So muss es sein – theoretisch auch bei uns in Deutschland. Ich habe mich beim Predigttext heute bewusst für die Übersetzung aus der Hoffnung für Alle entschieden. Bei Luther heißt es: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben…“ – Das klingt theoretisch und theologisch, richtig und blass, korrekt und wolkig zugleich. Schließlich auch erwartbar, gerade mit dem Adjektiv „gerecht“. „Gerecht geworden durch den Glauben“ – Klar, prägnant, vorstellbar und konkret geht anders. Zum Beispiel finden wir das in der „Hoffnung für alle“, aus der ich den Text vorgetragen habe: „Nachdem wir durch den Glauben von unserer Schuld freigesprochen sind, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Hier wird das alles Entscheidende, das uns unsere Existenz bereit hält, der Show Down, das letzte große Finale am Ende im Bild einer Gerichtsverhandlung präsentiert. Wir gehen auf ein letztes Gericht zu, auf eine Bilanzierung, Bewertung – ja: Beurteilung unseres Lebens und Tuns. Und dabei – so Paulus – ist es wir bei einer für den Angeklagten maximal günstig verlaufenden Gerichtsverhandlung, bei der es zum Freispruch kommt. Wir werden dabei freigesprochen. Aber nicht, weil wir unschuldig sind, nichts auf dem Kerbholz und eine weiße Weste haben – oder aber weil uns nichts nachgewiesen werden kann – oder weil dem Gericht ein Formfehler unterlaufen wäre, oder die betreffenden Dinge alle verjährt sind. Mitnichten! Das sind ja die wesentlichen und meisten Gründe für einen Freispruch in einer Nicht-Bananenrepublik.
Der Freispruch rührt auch nicht daher, dass wir uns à la Bananenrepublik frei-bestochen haben… mit der Kreditkarte oder dem Metallköfferchen mal ein paar Tausender oder gar Millionen rausgehauen und Kirchenkonten geflutet haben. Es hat ja durchaus Zeiten gegeben, wo die Kirche so verirrt war, dass sie ernsthaft kommuniziert hat, man könne Heil, Seelenheil – ja den Himmel, für sich und andere, die man besonders mag, kaufen. Scheckheft-Theologie könnte man dazu sagen. Aber der Himmel, liebe Gemeinde, der Himmel und das Reich Gottes sind keine Bananenrepublik. Das kann und sollte man auch total und schnell vergessen. Es läuft dort ganz anders. Der Freispruch – so das Bild des Paulus hier im Römerbrief – der Freispruch kommt nicht von Unschuld und auch nicht von korrupten Geldzahlungen, der Freispruch kommt vom Glauben. „Nachdem wir durch den Glauben von unserer Schuld freigesprochen sind, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Der Glaube – unser Glaube ist endlos kostbarer als alles, was wir vielleicht in irgendwelchen Bankschließfächern gebunkert haben. Der Glaube, der ansonsten vor den Gerichten dieser Welt keinen Pfifferling wert ist, dieser Glaube bringt den Freispruch am Ende, wenn wir zur Verantwortung gezogen werden. Dieser Glaube ist die Freikarte, die Wild Card, in den Himmel. Da der Glaube eine so unsteigerbare Bedeutung hat, möchte ich an der Stelle ein wenig die Lupe drauf legen. Man muss es theologisch nicht so darstellen, aber man kann. Es gibt zig Ansätze und Feinunterschiede. Mir erscheint aber der gleich beschriebene Ansatz einfach und nachvollziehbar. Er unterscheidet zwischen „Fides, quae“ und „Fides, qua“. „Fides, quae“ heißt übersetzt: „einen Glauben der geglaubt wird“. Gemeint ist damit: Wenn ich glaube, brauche ich einen Inhalt zum Glauben. Dabei können wir ganz naheliegend an das Glaubensbekenntnis denken, dass wir vorhin gesprochen haben: Ich glaube dies und dies und jenes: Dass Jesus von einer Jungfrau geboren worden ist, dass er auferstanden ist, dass Gott der Schöpfer ist und dementsprechend die Welt und uns selbst geschaffen hat. Ganz viele Inhalte und Aussagen. Der Fides quae ist zum Beispiel ganz allein vorhanden, wenn irgendein Mensch, der/die nichts mit Religion anfangen kann, das Glaubensbekenntnis vorliest. Dann ist damit in den Raum gestellt, was ein Mensch zu glauben hat, wenn er/sie Christ ist. Der reine Inhalt. Man weiß dann Bescheid, worum es geht.
Und dann gibt es eben diesen „Fides qua“, das ist der Glaube mit dem geglaubt wird, also die innere Fähigkeit, der Akt, mit dem ich dann glaube – es ist dieses, dass ich mir die Inhalte aneigne und sage: jawohl, das ist meines, da bin ich dabei, das halte ich für wahr und richtig – auch wenn ich es nicht beweisen kann.
Wir unterscheiden also im Glauben den Glaubensinhalt und den Glaubensakt. Man kann das recht salopp auch zum Ausdruck bringen: Jeder glaubt etwas. Die eine glaubt, dass ein Kilo Rindfleisch eine gute Suppe gibt (der Glaube kommt da jem mehr ins Spiel, je schlechter der Koch kochen kann) und der andere glaubt eben an den allmächtigen Schöpfergott oder glaubt an die Auferstehung Jesu.
Wir erkennen: Glauben allein ist zunächst einmal etwas ganz normal Menschliches und muss gar nicht mit Religion zu tun haben. Jeder Mensch glaubt, z.B., dass, wenn er am Morgen das Haus verlässt, er nicht Opfer eines Anschlags oder eines Verkehrsunfalls wird. Es betrifft ja gerade auch die Atheisten. Wenn wir genau hinschauen, müssen die an so viele Zufälle glauben, dass sie letztlich mehr glauben als wir, die wir „nur“ an Gott und seine Offenbarung glauben. Also Glauben, der Glaubensakt, muss unterschieden werden vom Glaubensinhalt bzw. die beiden Dinge gehören final zusammen. Es genügt nicht, nur einen Glaubensakt im Herzen zu vollziehen, sondern dieser Akt muss sich dann auch auf einen Inhalt beziehen. Unsere lieben Konfirmandinnen und Konfirmanden dürfen zum Beispiel auf den kommenden Mittwoch den Missions- bzw. Taufbefehl (Mt 28, 18-20) auswendig lernen: Lassen Sie uns das doch einfach mal zusammen sprechen: 18 Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Die müssen das nicht lernen, weil ich sie quälen will, weil ich früher ja schließlich auch viel auswendig lernen musste (was übrigens gar nicht stimmt – es war allerdings doch etwa mehr als das, was ich heute verlange…). Nein, die dürfen das lernen, weil es ein absolutes Kernelement unseres Glaubens ist. Weil es zum Fides quae, zum Glaubensinhalt unbedingt und unverzichtbar dazu gehört als grundlegender Text von einem der beiden Sakramente, die wir als Protestanten haben. Das ist nicht verhandelbar. Das darf niemals verwässert oder verwischt, verkürzt oder gar vergessen werden: Der auferstandene Christus hat alle Gewalt, im Himmel… – er will, dass wir taufen und lehren – und wenn wir Säuglinge taufen, dann muss die Lehre nachgeholt, nachgereicht werden – wie eben im Konfirmandenunterricht; und der Schluss, das Wichtigste darf auf gar keinen Fall untergehen: Jesu Versprechen mit uns zu gehen, bei uns zu sein, zu begleiten und niemals allein zu lassen. Das alles muss gewusst werden, sonst können wir den Glauben gleich in die Ecke stellen. Das alles muss gewusst werden, wenn am Ende bei der Konfirmation jede und jeder das eigene Ja zu diesem Glauben sagt, wenn es also „zum Schwur“ kommt und zum Fides quae der Fides qua hinzukommt, die persönliche Aneignung. Wenn das der Fall ist, und Fides Quae und Fides Qua zueinander kommen, dann wird künftig z.B. das Glaubensbekenntnis nicht ein geist- und inhaltsleeres Aufsagen eines Textes sein, sondern im wahrsten Wortsinn tatsächlich ein Glaubensbekenntnis – ein angeeignetes Bekenntnis des Glaubens.
Dahin zu kommen, dass aus einem Text, der irgendwo steht und den ich vielleicht sogar auswendig aufsagen kann, ein Bekenntnis wird, das ist ein Prozess, ein Weg. Hoffnung und Freude lösen dabei der angeeignete Glaube und das in Aussicht gestellte endgültige Ziel aus. Hoffnung und Freude angesichts der Aussichten auf die Ewigkeit, die uns gegeben sind. Hoffnung und Freude als Wegzehrung auf unserer Reise durch dieses Leben. – Dann setzt Paulus schließlich noch einen drauf, indem er neben der Vorfreude und strahlenden Hoffnung auch die Widrigkeiten – er spricht von „Leid/-en“ – als gute, wohltuende Wegzehrung bezeichnet:
„Wir danken Gott auch für die Leiden, die wir wegen unseres Glaubens auf uns nehmen müssen.“ – Warum das denn, so fragen wir völlig zurecht. Danken für das Leid. In der Lutherübersetzung steht: „wir rühmen uns auch der Bedrängnisse“… Paulus erklärt das so – und es ist eine gute, stimmige Erklärung, die ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann: Leid/Bedrängnisse machen „…geduldig. Geduld aber vertieft und festigt unseren Glauben, und das wiederum stärkt unsere Hoffnung. 5 Diese Hoffnung aber geht nicht ins Leere.“
Der angeeignete Glaube ist ein Weg. Ein Weg, der auch Widrigkeiten und Bedrängnisse als Stationen hat. Ich habe mir überlegt, dass es ein wenig mit dem Lernen eines Instruments vergleichbar ist. Wir habe ja heute den PCO (…) unter uns, weil die heutige Kollekte für die Posaunenarbeit bestimmt ist. Im Posaunenchor sitzt eine Konfirmandin, die Emilia und vier im vergangenen Jahr Konfirmierte: Alina, Enna, Philipp und Dominik. Jetzt sitzen sie alle da im Chor, spielen alles locker mit, sind unsere und Torstens große Hoffnung für eine super Zukunft des Chors. Aber bis es so weit war, dass sie hier mitten dabei sitzen hat es ein Weilchen gedauert. Fragen wir sie doch mal, ob sie das in der Zeit auch auch erlebt haben, dass es mühsam war, das Instrument zu lernen…
Kleines Interview mit den fünf:
- Am Anfang kommt kein Ton raus…
- Instrument an die Wand werfen wollen…
- Lippen weh getan…
- Aufhören wollen…
- „Ich schaff das nie!“
- Wie lange hat es gedauert vom ersten Unterricht bis zum Vollmitglied im großen Chor?
Und ihr habt alle durchgehalten, habt es geschafft, sitzt mitten drin und spielt alles mit. Tolles Gefühl. Die Widrigkeiten waren notwendig – notwendige Stationen auf dem Weg zum Ziel. Die Widrigkeiten haben sich gelohnt. So ist das auch mit unserem Glauben. Er lohnt sich. Das Ziel ist phantastisch und der Weg dahin ist gangbar. Wir sind ja nicht allein unterwegs, sondern gemeinsam als Gemeinde, als Gerufene unseres Herrn, als Menschen, die mit angeeignetem Glauben fest entschlossen unterwegs sind, gemeinsam unterwegs sind – und das auch noch mit einem ganz besonderen Reisebegleiter. Wie endet nochmal unser Text?
„Denn uns ist der Heilige Geist geschenkt, und durch ihn hat Gott unsere Herzen mit seiner Liebe erfüllt.“ Amen