Osternacht – Gottesdienst vom 21.04.2019
Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus sprach hier von sich.
So hat Jesus seinen Tod und seine Verherrlichung angekündigt.
Als sich Paulus Gedanken darüber gemacht hat, wie das eigentlich mal aussehen wird, mit unserer Auferstehung, da ist er von diesem Jesuswort ausgegangen.
Die Menschen haben sich gefragt, was eigentlich mit unserem Körper wird, wenn wir auferstehen. Dahinter steckt eigentlich die Grundfrage, was denn aus allem wird, was wir im Leben kennen, was wir lieben, was uns wichtig ist.
Paulus nimmt im Korintherbrief (1. Kor. 15, 35 ff) das Bild des Korns, das ausgesät wird, das aber als solches nicht lebendig wird.
Es stirbt.
Das, was da stirbt, ist nicht das, was kommen wird.
Und das, was uns dann erwartet, das ist etwas anderes als das, was wir kennen.
Es ist anders als alles, was wir aus unserem Leben kennen.
Paulus bringt das auf diesen Punkt:
Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich.
Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit.
Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft.
(1. Kor 15, 42+43)
Auch das Lied, das wir eben gerade gesungen haben, geht von diesem Jesus-Wort aus.
Das Lied folgt einer alten Melodie aus dem 15. Jahrhundert, die gehörte ursprünglich zu einem Christfestlied. 1928 gab es den englischen Text, der 1978 ins Deutsche übertragen wurde.
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt.
Das Lied steht in unserem Gesangbuch bei den Passionsliedern.
Aber eigentlich ist es ein Osterlied.
Denn es spricht vom Wachsen und vom Werden.
Von dem, was nach dem Tod, nach dem Ersterben kommt.
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Das Lied spricht damit von Hoffnung, deren Farbe ja bekanntlich das Grün ist.
Und Hoffnung ist ja genau das, was wir mit dem Osterfest verbinden.
Die Auferweckung Jesu begründet unsere Hoffnung.
Eine Hoffnung, die weiter reicht als das, was uns auf unserem Lebensweg begegnet.
Und die Auferweckung Jesu begründet unseren christlichen Glauben.
So wie es Paulus gesagt hat;
wäre Christus nicht auferstanden, wäre unser Glaube vergeblich.
Ein Hoffnungslied. Ein Osterlied.
Ein Lied des Übergangs.
Das Korn, der Tod.
Die Liebe, das Wachsen.
Vergehen und Werden.
Beides eng miteinander verbunden.
Im Grunde fällt beides in Eins.
So gesehen steht das Lied nicht schlecht in unserem Gesangbuch,
nämlich als das letzte der Passionslieder,
direkt vor den Osterliedern,
genau am Übergang,
aber ich vermute, dass das ein Zufall ist.
Jesus nimmt, wie er das ja ganz oft gemacht hat, ein ganz alltägliches Bild.
Das Bild vom Weizenkorn ist so alltäglich,
dass wir da schon gar nicht mehr genau hinschauen.
Ein Weizenkorn, das kann man gut und lange aufheben.
Es bleibt, wenn nichts drankommt, ziemlich lang genauso, wie es ist.
Legen wir das Korn aber in die Erde,
dann wird es sich verändern.
Es wird vergehen.
Das, was wie ein Ende aussieht,
ist aber eigentlich ein Anfang.
Das Korn keimt und treibt und schlägt Wurzel und ein grüner Halm bricht ans Licht hindurch.
Und am Ende bleibt nichts von dem Weizenkorn.
Und doch trägt es hundertfach Frucht.
In unserem Lied ist das, was als Frucht herauskommt bei der ganzen Sache die Liebe.
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Liebe.
Wir alle hätten doch so gerne mehr von ihr.
Aber manchmal scheint es so,
als hätte die Liebe in unserer Welt kaum eine Chance.
Wir erleben die Welt auch als kalt und grausam,
als mitleidslos.
Andere Menschen orientiert auf das, was ihnen was bringt,
im wechselseitigen Kampf von unterschiedlichen Meinungen und Interessen.
Wir selbst, oft nur um uns kreisend.
Orientiert auf das, was uns wichtig ist.
Was wir meinen haben zu müssen und tun zu müssen.
Ausgerichtet allein daran, dass wir uns wohl fühlen.
Liebe, die wollen wir alle haben.
Aber oft sieht es so aus, als wären wir nicht in der Lage, Liebe zu geben.
Oder Liebe zu empfangen.
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Was für eine Hoffnungsansage.
Es ist die Ansage,
dass die Liebe nicht untergehen kann.
Liebe, so glauben wir es als Christen,
hat ihren Ursprung in Gott,
der uns zuerst geliebt hat.
Und deshalb kann Liebe niemals vergeblich sein.
Oder wie Albert Schweitzer es sagt:
Liebe ist das einzige, das nicht weniger wird,
wenn wir es verschenken.
Das Osterevangelium lehrt uns:
die Liebe Gottes, die ist nicht totzukriegen.
Sie kommt durch den Tod hindurch zu Kraft und Leben.
Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt,
warum Gott das eigentlich so gemacht hat.
Also dass Jesus sterben musste,
um auferstehen zu können.
Gott hätte sich doch auch problemlos anders beweisen können.
Ich denke,
in der Ostergeschichte,
da steckt mehr drin, als nur das Wunder der Auferstehung.
Gott führt seinen Sohn in den Tod.
In die vollkommene Ohnmacht.
Dahin, wo nichts mehr ist.
Dahin, wo alle Wege enden.
Dahin, wo es nicht mehr weiter geht.
Und aus diesem Schlusspunkt macht Gott jetzt einen Doppelpunkt.
Aus diesem Tod geht die Kraft der Liebe hervor.
Eine Kraft, die in unserer Welt wächst und grünt.
So widerspricht die Ostergeschichte unserer Alltagserfahrung.
Dieser Alltagserfahrung,
dass mit dem Tod alles aus ist.
Und die Ostergeschichte widerspricht damit
allen unseren Alltagserfahrungen
in denen es so aussieht,
als sei nun alles aus.
Es gibt ja diese Momente im Leben,
an denen es so aussieht,
als sei unser Weg zuende.
Als ginge es nicht mehr weiter.
Momente, in denen uns ist,
als wäre der Stab über uns gebrochen.
Dieses Bild vom gebrochenen Stab,
das auch in diesem Lied aufscheint,
kommt aus dem mittelalterlichen Recht.
Wenn der Richter den Stab bricht,
dann ist das Urteil endgültig.
Da ist dann nichts mehr zu machen.
Woraus leben wir,
wenn es aussieht, als wäre nichts mehr zu machen?
Wenn unser Leben von jetzt auf nachher einfach mal so aus der Bahn fliegt?
Oder wenn wir schleichend, aber geradlinig,
so sehr in eine enger werdende Sackgasse reingelaufen sind,
dass wir nicht mal mehr umdrehen können.
Der Richter des Mittelalters, der den Stab über dem Verurteilten brach,
der rief dann folgendes aus:
Nun helf dir Gott!
Ich kann dir nicht mehr helfen!
Ja, so ist es.
Gerade in diesen Zeiten da kann uns die Osterhoffnung tragen.
Gerade in diesen Zeiten da will uns die Osterhoffnung tragen.
Die Osterhoffnung sagt uns:
Das, was wie ein Ende aussieht,
das wird ein neuer Anfang sein.
Doch wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und erstirbt,
dann kann das schmerzhaft sein.
Da, wo Ende und Anfang zusammenkommen,
da gibt es Veränderungen.
Da gilt es, Vertrautes loszulassen.
Das kann sehr anstrengend sein.
Aber die Ostergeschichte ist uns eine Hoffnungsgeschichte.
Eine Geschichte voller Zuversicht.
Voller Zuversicht für unseren Tod und unsere Auferstehung.
Aber auch voller Zuversicht für unser Leben.
Dafür, dass Gott uns mit seiner Liebe begleitet,
nicht nur bis an der Welt Ende,
sondern an allen Tagen unseres Lebens.
Bei dem Vergehen, das wir erleben müssen.
Und bei dem Werden, das wir erleben dürfen.
Das Weizenkorn als Hoffnungszeichen.
Sie sollen heute Weizenkörner mit nach Hause nehmen.
Vielleicht lassen sie sie ruhen.
Und pflanzen sie dann ein, wenn sie es nötig haben,
zu sehen,
wie aus dem ersterbenden Weizenkorn ein grüner Halm wächst,
ein Halm der Hoffnung.
Amen.
von Kai Tröger-Methling